Könige & Friends bei der Stunksitzung

Easy Rollator-Riding und kölscher Opern-Gefangenen-Chor

Aktuell

2016_Stunksitzung. Foto: Carsten Seim

1984 erlebte die Kölner Stunksitzung ihr Debüt. Ihre Macher wollten damit einen Gegenentwurf zum traditionellen Karneval auf die Bühne bringen, der ihrer Meinung nach in seinen althergebrachten Ritualen erstarrt war. Aus der „Instandbesetzung“ ist im Lauf der Jahrzehnte eine etablierte und professionelle Karnevalsrevue geworden. Der Revoluzzer-Stern im Logo erinnert an vergangene Aufsässigkeit gegen das Establishment. Die routiniert und opulent inszenierten Darbietungen führen immer aufs Neue zu ausverkauften Sälen. Sieglars Ex-Bauer Stephan Römer organisierte am 13. Januar eine royale Bus-Exkursion zu den Stunkern ins Kölner E-Werk. Es war ein perfekter Abend – besser kann man jeckes Entertainment nicht machen.

Highlights dieser Aufführung:

2016_Stunksitzung. Foto: Carsten Seim

2016_Stunksitzung. Foto: Carsten Seim

Im Bereich des kölschen Lokalkolorits ist die Oper immer wieder ein dankbares Thema – so auch bei den Stunkern im E-Werk. Ein Tablett Kölsch auf den Tisch – und gemeinsam sangen alle: „Wir versaufen der Oper ihr klein Häuschen“ zur Melodie des Gefangenenchors aus Nabucco. Der Text wurde im Stil eines Teleprompters auf eine Leinwand über der Bühne projiziert, sodass alle mitsingen konnten.

Hervorragend inszeniert waren Techno-Sounds in der Interpretation des fiktiven Tambourcorps Heisterbacherrott. Schnell fand auch die Sirtaki-Nummer mit Merkel, Schäuble und einem Geldscheine-werfenden Alexis Tsipras ihren Weg zum Zwerchfell.

2016_Stunksitzung. Foto: Carsten Seim

Richtig nostalgisch wurde es im Finale: Während drinnen Köbes Underground – Super-Band übrigens – spielte, fragte der Autor die junge Verkäuferin am Stunksitzungs-Devotionalien-Stand: „Kennen Sie eigentlich Marc Bolan?“ Das war der Leadsänger der 70er-Jahre-Band T. Rex, deren Songmelodie die Köbesse gerade intonierten. Keine Antwort. Nachfrage: „Das war Mitte der 70er. Da waren Sie wahrscheinlich noch gar nicht auf dieser Welt?“ Sie lächelt zustimmend. Jeder Babyboomer, der in den 50er- und 60er-Jahren geboren wurde, hat bei diesem Namen ein Bild vor Augen. Mittdreißiger und Jüngere eben nicht.

Kurz darauf spielte die Band „Hey Jude“ von den Beatles – hunderte Zuschauer im Saal schunkelten und sangen begeistert mit. Auch dieses Lied lässt Bilder im Kopf Revue passieren. Wie schön es damals doch war. Dazu ist festzustellen: Es ist damals wie heute vieles schön und vieles weniger schön, wie beispielsweise ein Blick in den 1967 gedrehten journalistisch sehr gut gemachten BBC-Film „The Stones in the Park“ zeigt.

2016_Stunksitzung. Foto: Carsten Seim

Die Generationen-Kluft geht auch an der Stunksitzung nicht vorbei. In einer selbstironischen Episode macht das Ensemble dies auch selbst zum Thema. Mit einem zum Chopper umgerüsteten Rollator sausen zwei Darsteller auf die Bühne – zur Melodie von Born to be wild. Jeckes Easy-Riding mit orthopädischen Hilfsmitteln. Dieser Abend war schön, löste aber zumindest beim Autor auch wehmütige Gefühle aus. Zeigte er doch, wie schnell man selbst von der Jugend und dem unbedingten Bedürfnis, vieles anders machen zu wollen, in die angeblich besten Jahre kommt und selbst Teil von Tradition wird.

Bericht und Handy-Fotos: Carsten Seim für den Veranstalter